Eine spannende Zeit

Kein Schiff, keine Website, kein Laden, kein Blog. Die vergangene Woche gehörte einzig und allein dem kleinen Bad im Erdgeschoss. Elektriker, Rückbauer, Fliesenleger, Tischler, Sanitär-, Gas- und Wasserinstallateur, Heizungsbauer, Maler und Maurer gaben sich die Klinke in die Hand und - seltsam - sie sahen allesamt irgendwie gleich aus.
Durch das Loch im Boden führte der alte Abfluss von der Toilette in den Keller. Ich war gerade dabei, dieses zu schließen, als Maria vorschlug, in diese Öffnung eine Zeitkapsel mit einzumauern. Hm, so ein Ding, das irgendwann von irgendjemanden gefunden wird und darin Hinweise findet, die typisch sind für die Zeit, in der diese Kapsel eingeschlossen wurde. Im Prinzip eine gute Idee, aber wenn ich wissen will, was für einen relevanten Zeitraum typisch ist, dann schaue ich ins Internet oder sehe mir Filme auf Kabel eins an. Darüber hinaus ist das Alter des Hauses zu berücksichtigen. Mehr als fünfzig Jahre hat es bereits auf dem Buckel und mit zunehmendem Hausalter steigt die Wahrscheinlichkeit rapide, dass der Finder der Zeitkapsel diese innerhalb unserer Lebenszeit entdeckt - er würde in der Zeitkapsel dann Hinweise finden wie: "Folgendes war typisch für unsere Zeit: Handy, trotz schnellem Internet keine Zeit, Gleichgültigkeit, Kohle scheffeln und Daten abgreifen, neunhundert Freunde bei facebook aber keinen zum Reden, Lebensmittelskandale, Umweltzerstörung, globale Konzerne und globale Erwärmung bei gleichzeitiger menschlicher Abkühlung." Aber das hat der Entdecker im Falle des frühen Fundes dann ja selbst schon herausgefunden. Für künftige Besitzer unseres Hauses könnte es daher vielleicht interessanter sein, wer hier einmal lebte.

"Im September 2017 stand an dieser Stelle das Haus der Familie Mansholt. Wir lebten hier zu fünft: Andrea liebte Musik und das Musikmachen. Maria lernte viel für die Schule, mochte Lesen und Bastelarbeiten aller Art. Mathilda konnte sich nicht erinnern, jemals woanders gelebt zu haben und Olivchen wurde geboren, als wir hier lebten. Bernd liebte das Reisen und träumte davon, irgendwann einmal mit Andrea Straßenmusik zu machen. Wir liebten das Leben und uns. In diesem Haus, an diesem Flecken wohnten wir gern, es war ein schöner Ort für Kinder und Familie. Nach dem Gregoriranischen Kalender lebten wir hier in den Jahren 2013 bis 2019."

Wir schrieben es auf und gruben es ein.

Es gibt Zeiten, da plätschert das Leben so vor sich hin. Alles ist gut und so geregelt, wie man es sich eingerichtet hat. Einschneidende Tagesentscheidungen werden u.U. im Supermarkt getroffen: was denn jetzt, Pizza oder Nudeln? Da werden kognitive Ressourcen für Kleinigkeiten abgerufen und Marginalien stilisieren sich still und heimlich zu Hauptdarstellern. Nicht, dass daran etwas Negatives wäre.
Da gibt es aber auch die anderen Zeiten. In diesen werden Schlag auf Schlag Entscheidungen getroffen, die richtungweisend für Zukünfte sein können. Gespräche sind kein blabla, sondern Verhandlungen, deren Ausgänge mitbestimmen, wo wir wie leben werden. Plötzlich wird der Tagesablauf von spannenden Schlüsselszenen mit überraschenden Wendungen bestimmt. In dieser Zeit befinden wir uns gerade. Nicht, dass daran etwas Negatives wäre. Mal so, mal so.

Wie jetzt, ihr auch? Die Goldschmiede Mansholt hat ihren Sitz in der Oldenburger Fußgängerzone. Seit einigen Tagen sind die Schaufenster eines auf der anderen Straßenseite befindlichen Klamottengeschäftes verhüllt und mit einer Botschaft abgeklebt, die sportliches ankündigt:





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