"Ich bring Dich um!"

  "Hallo!?"
  "Ja, hallo, also so geht das nicht. Du hast mich betrogen. Das Schiff ist auf ein Riff gelaufen und hat einen Riss im Rumpf"
  "Wie bitte? Wer spricht denn da?"
  "Ich bin der Bruder vom Käufer des Schiffes. Wir haben uns das Schiff nochmal genau angesehen. Das Unterwasserschiff ist stark beschädigt. Der Rumpf ist kaputt. Wir müssen den Kauf rückgängig machen."
  "Das Schiff ist beschädigt? Aber das kann nicht sein, ich habe es doch noch vor der Übergabe abgetaucht. Es ist nicht auf ein Riff gelaufen. Aber wieso ruft Bernd mich nicht selber an?"
  "Das Schiff ist kaputt und du nimmst es zurück, sonst komme ich her und dann bring ich dich um."

So in etwa verlief vorgestern das Telefongespräch zwischen dem Verkäufer unseres neuen Schiffes und einem unbekannten Anrufer, der sich als mein Bruder ausgegeben hat. Gefordert wurde die Rückgabe des Schiffes unter Hinweis auf grobe Mängel. Der Sprecher: männlich, akzentfreies Deutsch. Im Display wurde die Telefonnummer des Anrufers angezeigt: Libanon. Am Ende dieses denkwürdigen Telefonates, das vom Verkäufer irgendwann abgebrochen wurde, stand eine Morddrohung im Raum.
Was ist passiert: Im Grunde ist die Masche schon bei den Autokäufern und -Verkäufern bekannt. Jemand offeriert ein Auto und gibt seine Telefonnummer für etwaige Nachfragen in der Annonce preis. Drei Wochen später wird der Verkäufer unter der angegebenen Nummer angerufen und gehörig zur Schnecke gemacht. Der Ablauf ist immer gleich: Das Fahrzeug ist angeblich defekt, der Käufer wurde betrogen und fordert sein Geld zurück. Falls nicht, wird bald jemand sterben, vorzugsweise der Verkäufer. Die Methode gibt es auch in perfide: Der Anrufer fordert zunächst nicht den Kaufpreis zurück, sondern verlangt eine Nachbesserung vom Verkäufer. Dazu muss das Fahrzeug natürlich zum Verkäufer transportiert werden. Aber da das Auto ja defekt ist, muss es von einer Spedition geliefert werden. Die dafür enstehenden Kosten möchte der angebliche Käufer vom Verkäufer im voraus erstattet haben. Die Kontonummer wird unter wüsten Beschimpfungen mitgeteilt.
  "Du überweist jetzt sofort tausend Euro, du Penner, oder ich..."
  "Jaja, ich weiß schon, ...oder du bringst mich um. Womit eigentlich?"

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Egal ob neu oder gebraucht: Wenn jemand ein Boot kauft, steht er erst einmal vor oder auf oder in ein paar Tonnen Unbekanntem. Die meisten  Fahrtenyachten sind in ihrem technischen Aufbau komplex und viele Dinge sind erläuterungsbedürftig. Gerade wenn das Schiff schon etwas in die Jahre gekommen ist und die Voreigner gebastelt haben (was ja fast immer der Fall ist), ist man gut beraten, wenn man in den ersten Tagen jemanden an der Seite hat, der einem bei Fragen zur Seite steht. Sei es persönlich, per Telefon, per eMail, video call oder Funk. Wenn man Glück hat, wird man bei der Übergabe des Schiffes in dessen Eigenheiten eingewiesen.
Ich hatte bislang vier Schiffe, zwei davon habe ich wieder verkauft. Das macht sechs Transaktionen, die sechs völlig unterschiedliche Geschichten erzählen. Da gab es z.B. den Tod des Eigners wenige Tage vor der Übergabe. Da gab es Spinner, die sich als Kaufinteressenten ausgaben aber nur ein bisschen spazieren fahren und über den Sinn des Lebens philosophieren wollten. Einer legte mir zigtausend Euro auf den Tisch - ein Handschlag reichte ihm als Quittung. Ein Kaufinteressent meinte einmal, dass ein Geschäft nur dann ein gutes wäre, wenn eine der Parteien unzufrieden wäre (überraschenderweise wurden wir nicht handelseinig).
Großes Glück haben wir mit der Kairos. Ich wurde bei der Übergabe zwei Tage lang persönlich eingewiesen und auch jetzt noch beim anschließenden Papierkram nach Kräften unterstützt. Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht ein bisschen mit Booten auskennen würde, aber trotz allem habe ich viele Fragen. Und obwohl die Kairos sehr meinem Vorgängerschiff ähnelt, gab und gibt es Fragen, die viel einfacher zu klären sind, wenn der oder die Voreigner/in zur Verfügung steht/stehen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, oder?

Am Anfang ist ein Boot erst einmal nur ein Boot. Eines unter vielen. Erst die Zeit, die man mit ihm verbringt und der Einsatz, den man erbringt, macht es für den Besitzer zu etwas Besonderem, etwas Einzigartigen. Antoine de Saint-Exupéry lässt den Fuchs dem kleinen Prinzen, den Umgang mit der Rose erklären. Zitat: "Die Zeit, die du für deine Rose gegeben hast, macht deine Rose so wichtig. Du hast sie dir vertraut gemacht. Du bist dafür verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast."

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An Bord der Kairos fand ich in irgendeinem Schapp ein wichtig (und teuer) aussehendes Teil aus Alu. Der Verkäufer wusste nicht, was es ist, es lag schon an Bord als er das Boot kaufte. Bin mal gespannt, ob sich das noch aufklärt. 

Was ist das?

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